Er nahm es den Reichen, aber gab‘s auch nicht den Armen: Jakob Frederic Müller.
Wilhelm von Oranien war Deutscher. Nassauer sozusagen.
Jacob Frederik Müller war ein weiterer Deutscher, der in den Niederlanden sein Glück suchte. Sein Glück fand er dort aber nicht für allzu lange Zeit. Auch er war ein ‚Nassauer‘.
Er kam mit seiner Familie wahrscheinlich aus der ostpreußischen Gegend, mit Zwischenstation in der Gegend von Stade bei Hamburg. Manche sahen in ihm eine Art holländischer Robin Hood. Seine Klau-Utensilien stehen im Amsterdam Historisch Museum: eine Leiter, eine Pistole, und ein Kuhfuß. Unwahrscheinlich, dass diese Teile original sind.
Hauptberuflich war Jakob allerdings eher eine Art ‚Bettelsünder‘. Zu seiner Zeit wurden sogenannte Bettelbriefe ausgestellt. Für Katastrophen und Tragödien und andere Ereignisse, bei denen humanitäre und monetäre Hilfe benötigt wurde, gab es diese Briefe, z.B. wenn irgendwo, auch im Ausland eine Kirche abgebrannt war. Mit diesen ging es dann von Tür zur Tür um Spenden zu sammeln. Wenn man dann auf den Bettelbriefen, auf denen sich die edlen Spender eintrugen, Autogramme von namhafte Persönlichkeiten vorweisen konnte, desto besser. Es erhöhte die Zahlmoral der Leute. Diese stummen Leumundszeugen waren auf Jaco’s Bettelbriefen meist eigenhändig gefälscht.
Blöd für die Spender war‘s natürlich, dass die tragisch abgebrannten Kirchenbauten entweder nie existierten oder trotz des Geldes Trümmer blieben. Tragisch für Jaco und seine Familie sicherlich, dass diese Art der des Einkommens irgendwann mal auffliegen mußte. Vor allem, wenn man zu lange im gleichen Gebiet wilderte.
Aber als gelungene Abwechslung wurden Einbrüche verübt. Das waren teils Gelegenheitsdiebstähle, teils waren sie logistisch quer durchs Land geplant. Manchmal hatte man auch einen Insider, der wusste, wo was zu holen war. Dabei ging es weniger ritterlich zu, eher grob. Oft wurden die Hausbewohner gegeiselt und gegeißelt. Sie wurden solange bearbeitet, bis sie ausspuckten, in welcher Schatulle der Sparstrumpf steckt. Dann musste man nur noch nachdrücklich nach dem Schlüssel fragen.
Jaco‘s Beutezüge und Tatorte füllten nach und nach einen Großteil der überschaubaren niederländischen Landkarte: aber auch ein Netzwerk von Spelunken und Unterschlüpfen, wo man neue Mistreiter kennenlernte, oder das Geld ordentlich draufmachte.
Wenn Jaco’s Drueckerkolonne, seine ganze Familie nebst mehr oder weniger legitimer Anverwandter, zu lange um dieselben Häuser zog, konnte es brenzlig werden. Zugute kam ihnen, daß es damals keine Ringfahndung oder XY-Ungelöst gab. Falsche Namen gab es ja zur Genüge. Und die Provinzen waren noch nicht verlinkt. Jaco saß schonmal in der einen Provinz im Knast, sein Stiefvater in einer anderen. Und keiner ahnte den Zusammenhang. Waren Familienmitglieder mal zusammen eingebuchtet, wurde vorgegeben, sich natürlich nie vorher gesehen zu haben.
Aber die Staatsmacht ließ sich nicht ewig an der Nase herumführen und half mit ‚leichter Tortur‘ nach. Nichts anderes als Folter. Aber in den christlichen Niederlanden war genau geregelt, was noch zumutbar war und was doch mehr in Richtung ‚waterboarding‘ ging. Zu guter Letzt war es Jaco’s Freundin, die in ‚verlinkte‘. Die Obrigkeit wollte die Schlinge zusammenziehen, was ihr dann in zahlreichen Prozessen und durch zahlreiche Verhöre gelang.
Jaco wurde in Amsterdam auf dem Dam, dem Platz vor dem heutigen königlichen Palast, gerädert. Das war kein Zuckerschlecken, denn es brach ihm so ungefähr alle Knochen im Leib. Danach wurde er auf der gegenüberliegenden Seite des heutigen Bahnhofs, den Vögeln zum Fraß aufgehängt. Er war gerade einmal ca. 28 Jahre alt. Ein gefundenes Fressen.
Die Prozesskaten liegen im Amsterdamer Gemeindearchiv.
Frans Thuijs hat in seinem minutiösen Buch über den Werdegang des wahren Jaco’s, dessen kriminelle Itenera, alle Komplizen, Diebstähle, Verhöre, sowie juristische Details hinsichtlich Prozess, Folter und Hinrichtung zusammengetragen. Und sein Leben nach dem Tod: De ware Jaco – Jacob Frederik Muller, alias Jaco (1690-1718), zijn criminele wereld, zijn berechtiging en zijn leven na de dood, Hilversum 2008
Trotzdem allem wurde Jaco in der späteren Literatur und einigen Jugendbüchern als ‚edler Wilder‘ dargestellt. Hollywood hätte seine Rolle sicherlich mit Errol Flynn besetzt.