Als Sammler fahnde ich schon seit ca. 10 Jahren, um die letzten Lücken meiner Heimatsammlung zu schließen. Letztens ist der Jagdinstinkt erwacht, als ich einen Schein sah, den ich zwar schon hatte, der aber bei Ebay irgendwie anders aussah. Also gezoomt, dann ausgedruckt und mal die Lupe herausgeholt: eine Fälschung. Also ein Unikat, das es wohl so nur einmal gibt, denn es sah aus wie handgefälscht und nicht maschinell gedruckt.
Es folgte ein Bieterwettstreit wie ein U-Boot-Film über eine Woche hin. Jeden Tag einen Zehner rauf und an den letzten Tagen hatte ich als Höchstbietender auf mein Mindestangebot immer noch einen Buffer draufgelegt. Wenn der unterlegende Bieter gewusst hätte, wie nah er dran gewesen war… denn ich hatte wirklich mein letztes Angebot am Rande meines Budgets eingetippt und die Sache ihren Lauf nehmen lassen.
Das Putzige an der Fälschung ist vor allem der Kennbuchstabe. Gemeinsam haben fünf Landkreise für den Schein geradegestanden, der Buchstabe K stand für Kempen. Schönheitsfehler hier ist allerdings, dass die Scheine für M.-Gladbach als einzige mit einem zusätzlichen Wappen ausgestattet waren. K und Wappen kann also eigentlich nicht. Ob das im Wirrwarr der Inflation auffällt?
Ob der Schein abgefangen wurde oder ohne Probleme in den Umlauf gelang? In einem Stapel von anderen, gleichen oder ähnlichen Scheinen? Aber, wenn ja: was hätte der Fälscher mit einem Einzelstück erreicht?
Ein Freund fragte mich, ob es sich überhaupt gelohnt habe, angesichts des Wertverfalls damals, den Schein zu fälschen. Ich konnte ihm berichten, dass diese Scheine der Landkreise, die es auch noch in zig Ausführungen gab, mannigfaltig gefälscht wurden und die ganze Serie daher schon sehr schnell, komplett aus dem Verkehr gezogen wurde. Hier spielt in der Tat der Faktor Zeit eine große Rolle. Das Ausgabedatum auf dem Schein ist der 30. Oktober. Ob die Scheine auch am selben Tag in den Umlauf kamen, sei dahingestellt. An diesem Tage entsprachen 5 Billionen ungefähr 1570 Euro. Das hätte sich gelohnt. Dann ist die Theorie, den Schein innerhalb eines großen Stapels in den Umlauf zu schleusen, abwegig.
Wie lange hätte wohl ein Fälscher nötig gehabt, um eine Fälschung zu gravieren oder zu drucken?
Die beiden Scheine habe ich als Suchbild mal ins Internet gestellt und ein Bekannter fand innerhalb von Sekunden diverse Unterschiede:
Papier ist eher gestaucht als geschnitten, Farbe ist zu hell, Rahmen ist nicht mehr offen, Schattierungen, falsche typen für die Städte, Unterschriften schlecht nachgestellt, falsche Feder benutzt und nicht Originalstempel, Logo soll wohl der Vitus (Anm.: ist aber der Georg) sein, könnte man schöner, Hintergrundwellung, angedachtes Wasserzeichen ist zu dünn, Quertext links unleserlich, es fehlt die Offenheit, Serienbuchstabe falsch, lfd. Nummer ist gestempelt statt maschinell.
Nachdem ich meine Überraschung über so viel Fachkenntnis äußerte, merkte er an, er habe gerne in der ‚Heiligenbildchen-Manufaktur geschafft‘. Die Druckfirma B. Kühlen war in der Tat jahrzehntelang für ihre christlichen Motivdrucke. Sie gibt’s immer noch und ich kann sie gerade aus meinem Fenster, neben dem Franziskanerkloster sehen.
Auch dieser Schein aus der ‚stabileren‘ Zeit wurde handgefälscht. Wenn man Graphologe wäre, könnte man vielleicht sogar herausfinden, ob es sich um ein und denselben Fälscher handelte, es lagen nur 5 Jahre dazwischen.
Beim Original ist als Druckfirma Hermann Schött AG Rheydt, auf der Fälschung Schött AG Rheydt zu lesen. Warum der Fälscher, der sich scheinbar so viel Mühe gegeben hatte, dies übersah, bleibt die Frage. Vielleicht hat er sich sogar einfach einen Spaß daraus gemacht, einen solchen Schein nachzuzeichnen. Schaut man sich das Rheydter Stadtwappen mal genau an, so finden sich im oberen linken Viertel des Wappens nur fünf dunkle Querstreifen. Beim Original sind es sechs – hier hat sich der Fälscher wohl verzählt oder ist mit dem Platz nicht ausgekommen.
Nimmt man das Gladbacher Stadtwappen noch einmal genau unter die Lupe, findet man den deutlichsten Hinweis. Der Heilige Vitus auf dem Originalschein sieht dann doch etwas lebendiger aus als sein Pendant auf der Fälschung. Trotzdem darf man dem Fälscher des Scheins dankbar sein, solch ein Zeitdokument geschaffen zu haben. Ob er bei der Einlösung gefasst wurde, oder ob er die damals übliche Haftstrafe für das Fälschen von Geld antreten musste?
Hier ein Detail: der heilige und der scheinheilige Vitus
Vitus und Georg gehören beide zu den 14 sogenannten Nothelfern. Georg links und in der Mitte mit dem heiligen Drachen, rechts mit einem verschwommenen Drachen.
Vitus-Darstellung, die Punkte für die 14 Nothelfer würden als ‚Omron-Ringe‘ als Kopierschutz durchfallen:
Fälschen erfüllte nicht nur den Straftatbestand, sondern behinderte das Wirtschaftsleben aufgrund mangelnden Vertrauens massiv. Deswegen wurde am 24. Januar 1924 das Geld der Vereinigten Landkreise wegen der vielen im Umlauf befindlichen Fälschungen von Umlauf ausgeschlossen.
Ein weiterer Mangel war die uneinheitliche Ausführung des Geldes in verschiedenen Serien, die das Vertrauen in die Scheine auch nicht erhöhte. Jeder einzelne Kreis wollte nur für die Einlösung seines ‚eigenen Geldes‘ einstehen, ob echt oder falsch. Da die Kreisbanken allerdings bestürmt wurden, hatte man ein Einsehen.
Durch die auf dem Schein sichtbare (Un-)Zugehörigkeit kam es beim Einlösen zu Unstimmigkeiten zwischen den fünf Kreisstellen.
Beschlossen wurde, dass sämtliche Falsifikationen von den Ausgabestellen getragen würden, das heißt, ist Gladbacher Notgeld gefälscht, sei die Stadt M.Gladbach ersatzpflichtig, auch, wenn z.B. die Fälschung in Kempen vorgenommen wurde. Anders sei der Fall, wenn es sich um offensichtlich plumpe Fälschungen handelt, so wäre die Stelle zu Ersatz verpflichtet, die das Geld herausgegeben hat. In Zweifelsfällen entschiede ein Schiedsgericht von drei Herren endgültig.
Aufgrund der Fülle von verschiedenen Geldscheinen, die im gesamten altbesetzten Teil des Rheinlandes im Umlauf waren, war das Risiko für Fälscher vielleicht sogar gering, mit einem fehlerhaften Druck oder einem fehlenden Wasserzeichen bei einem pfiffigen Kaufmann aufzufallen. Wer las schon jeden Tag aufmerksam die Zeitung, um nachhalten zu können, was gerade in den Umlauf gegeben wurde, ganz zu schweigen von all den anderen Ausgaben der benachbarten Städte und Firmen im Rheinland.
Und noch eine Fälschung: Ein städtischer Notgeldschein aus M.Gladbach über 50 Milliarden vom 27. Oktober 1923. Zum Vergleich daneben ein echtes Exemplar.